WEsER-Modell: Bestandteile


Modellsprache

Der Optimierungsalgorithmus von WEsER ist in der im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich bekannten Umgebung GAMS (General Algebraic Modelling System) formuliert. GAMS ermöglicht die Abbildung technologischer Gegebenheiten bei der Kraftwerksparametrisierung. Von der Programmiertechnik gesehen handelt es sich bei WEsER um ein LP (Lineare Programmierung)-Problem. Dies ist eine in der Energiewirtschaft häufig eingesetzte Methode, z.B. auch, um (kurzfristig) den Kraftwerkseinsatz eines Kraftwerksparkbetreibers betriebswirtschaftlich zu optimieren. Zur Berechnung wird der Solver CPLEX genutzt, der schnell Ergebnisse auch bei komplexen Problemen liefert.

Modellstruktur

WEsER - Modellstruktur

Die Eingangsdaten (Bereich 1) in Form von Input-Tabellen bilden den ersten und wichtigsten Teil des Modells. Hier werden die wesentlichen Parameter bezüglich des Lastganges, der Windstromeinspeisung und des Modell-Kraft­werksparks vorgegeben.

Der in der GAMS-Umgebung erstellte Algorithmus (Bereich 2) erzeugt durch die (lineare) Verknüpfung der Eingangsparameter und der Implementierung von Randbedingungen in Form von (Un-)Gleichungen das strukturelle LP-Problem. Darin ist die Zielgröße Gesamtkosten definiert, die minimiert werden soll. Dabei gilt neben einer Reihe von spezifischen Randbedingungen als Hauptrestriktion die Einhaltung von vorgegebenen Kohlendioxid-Emissionswerten.

Als Ergebnis (Bereich 3) liefert der WEsER Listen mit den berechneten Verteilungen der je nach Modell-Kraftwerkspark-Technologie installierten Leistung, deren zeitlichem Einsatz über das Jahr (genutzte Leistung) und die Gesamtkosten der Stromerzeugung sowie der gesamten CO2-Emissionen.

Eingangsdaten

Im Unterschied zu bisherigen Modellansätzen ist in WEsER der Anforderung einer gleichzeitig langfristigen (über ein Jahr) aber dennoch hochaufgelösten (stündlichen) Betrachtungsweise Rechnung getragen. Während die Langzeitbetrachtung zur Bestimmung der Erzeugungskosten der konventionellen Stromerzeugung sinnvoll ist, kann der Einfluss der Windenergienutzung nur in hoher zeitlicher Auflösung, die die Schwankungen des Leistungsangebots wiederzugeben in der Lage ist, angemessen berücksichtigt werden. Dies hat zur Folge, dass aufgrund der hohen Zahl von Eingangsparametern eine sehr große Lösungsmatrix entsteht, die allerdings noch mit handelsüblichen EDV-Mitteln bewältigt werden kann.

Kraftwerkspark

Wesentlichen Einfluss auf die Ergebnisse der Modellberechnungen hat die Parametrisierung der einzelnen Kraftwerksblöcke. Die für diese Untersuchung verwendeten Charakteristiken sind in dieser Tabelle ausführlich beschrieben.

WEsER - Modellkraftwerksparameter

Bei den sich aus den Eingangsdaten ergebenden spezifischen Kosten für die Stromerzeugung der verschiedenen Kraftwerkstypen handelt es sich um Vollkosten, die alle anfallenden Aufwendungen zur Erzeugung einer Kilowattstunde beinhalten. Dabei sind die einzelnen Annahmen für Bestandteile wie Investitionskosten, fixe und variable Betriebskosten im allgemeinen wenig sensitiv. Dagegen ist die Beurteilung des Einflusses eines Teillastbetriebes sowie von Zusatzkosten durch Anfahrvorgänge nicht so eindeutig, hat aber dafür erheblichen Einfluss auf das Modellergebnis. Die Überlegungen dazu sind im folgenden Abschnitt dargestellt.

Zusatzkosten durch Anfahrvorgänge

Aufgrund der Umsetzung von WEsER als rein linearer Algorithmus in den darüber hinaus keine Ganzzahligkeitsbetrachtungen implementiert sind, ist eine Kraftwerksblockscharfe Bestimmung der Stromerzeugung ausgeschlossen. Dies wäre allerdings Voraussetzung für die Berücksichtigung von Teillasteffekten wie der Verringerung des Wirkungsgrades und den damit verbundenen Aspekten wie Kostenanstieg und Erhöhung der spezifischen CO2-Emissionen. In WEsER wird also davon ausgegangen, dass alle in Betrieb befindlichen Modellkraftwerke im Auslegungsbereich betrieben werden. Das führt zu einer Überschätzung der Effizienz der Stromerzeugung.

Während die Folgen des Teillastbetriebes also nicht in WEsER berücksichtigt werden konnte, ist ein zweiter Aspekt der Kostenänderung durch die Dynamik des Kraftwerkseinsatzes hingegen implementiert: Anfahrvorgänge. Dieser Betriebszustand eines Kraftwerks ist üblicherweise weiter unterteilt in Kalt- und Warm- und Heißstarts, die sich in Dauer und Aufwand bis zum (Wieder-)Erreichen der Nennleistung unterscheiden. Der in WEsER umgesetzte Aspekt des Kaltstarts geht davon aus, dass eine Anlage in allen Teilbestandteilen bis zur Umgebungstemperatur abgekühlt ist und ein entsprechender Aufwand betrieben werden muss, um normale Betriebsbedingungen zu erreichen. Dieser Fall wird in der Realität - vornehmlich aus Kostengründen - insbesondere für sog. Grundlastkraftwerke wie Braunkohle- oder Atomkraftwerke nur in seltenen Ausnahmen zugelassen, meist bei einer einmal jährlich stattfindenden Revision. Ansonsten werden Teile des Kraftwerks auf Betriebstemperatur gehalten, um die Dauer der Wieder-Inbetriebnahme kurz zu halten und Verluste zu minimieren. Deshalb stellt die umgesetzte Annahme von Anfahrvorgängen als ausschließliche Kaltstarts eine Überschätzung der Verluste im Vergleich zur Realität dar.

Die Umsetzung dieser Kraftwerksspezifischen Zusatzkosten in der in WEsER gewählten Modellstruktur erfolgt durch den einfachen Vergleich der in Betrieb befindlichen Kraftwerksblöcke zum Zeitpunkt HoY und dem darauffolgenden Zeitpunkt HoY+1. Die zusätzlich aktivierten Blöcke werden dann mit den in der Tabelle dargestellten Zusatzkosten versehen und führen so insgesamt zu einer Verteuerung der Stromerzeugungskosten. Dies wiederum führt wegen der Suche von WEsER nach den minimalen Gesamtkosten dazu, dass bei stark fluktuierender resultierender Nachfrage die sog. Grundlastkraftwerke weniger werden (siehe auch Modellergebnisse)

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WEsER - Modellkraftwerksparameter für Anfahrvorgänge

Insgesamt wird davon ausgegangen, dass die unterschätzten, weil nicht berücksichtigten, Kosteneffekte durch Teillastbetrieb und die überschätzten Anteile der Kaltstart-Implementierung zu einer den realen Verhältnissen nahe kommenden Einschätzung der Beeinflussung der Gesamtkosten durch die unterschiedlichen Betriebszustände führt.

Lastgang

Die Datenlage über den Verlauf der gesamten Nachfrage in Deutschland ist dürftig, dennoch ist daraus eine Zeitreihe in Anlehnung an die vorhandenen Informationen entwickelt worden. Die Methode wird durch die Abbildung veranschaulicht: Für die dritten Mittwoche eines jeden Monats sowie dem darauf folgenden Wochenende sind gemessene Stunden-Werte der Nachfrage vorhanden. Daraus sind dann Wochen-, Monats- und schließlich der Jahreslastgang erzeugt worden.

WEsER - modellierter Lastgang

Prinzipielle Eckwerte des erzeugten Lastgangs, der für alle Szenarienbetrachtungen unverändert übernommen wird, sind:

  • Unterscheidung von Werktagen und Wochenenden sowie Feiertagen
  • Berücksichtigung von jahreszeitlichen Schwankungen
  • Normierung auf einen Nettobedarf von 500 TWh

Die Annahme eines jährlichen Nettostrombedarfs von 500 TWh orientiert sich am derzeitigen Verbrauch. Weil nicht absehbar ist, wie die Entwicklung des Stromverbrauchs in Deutschland sein wird, stellt diese Annahme einen Kompromiss dar zwischen den Erwartungen eines steigenden Strombedarfs und den Szenarien, die von einem deutlich niedrigeren Stromverbrauch ausgehen. Im Vergleich zu einer „business-as-usual“-Verbrauchsentwicklung bedeutet die Annahme eines Bedarfs von 500 TWh in 2020 jedoch Einsparungen von gut 20%, was schon sehr ambitioniert erscheint. Im Vergleich zu Szenarien, wie sie die Enquete-Kommission Nachhaltige Energieversorgung des Deutschen Bundestages (2002) vorgestellt hat, die deutlich darüber hinaus gehende Verbrauchsverringerungen annehmen, bleibt die in WEsER verwendete Variante vergleichsweise moderat.

Entscheidend für die hier vorgelegte Untersuchung ist ohnehin die Restnachfrage, also der Verlauf der Nachfrage abzüglich der eingespeisten Leistung aus WKA. Diese wird gerade bei einer hohen installierten Leistung von WKA durch die fluktuierende Einspeisung bestimmt.

Windstromeinspeisung

Der Verlauf der gesamten Stromeinspeisung durch Windkraftanlagen in Deutschland ist ebenso wie der Lastverlauf nicht Gegenstand kontinuierlicher Messungen. Die Möglichkeit, über die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vorgegebene Abnahme- und Vergütungspflicht für Strom aus WKA, umfassende Informationen zu erhalten, ist aus organisatorischen Gründen bislang nicht umgesetzt und würde sich ohnedies auf Summenwerte beschränken. Bei der Nachbildung eines resultierenden Einspeiseverlaufs der durch Windkraftanlagen erzeugten Stroms ist man deshalb auf Hochrechnungen von Messungen einzelner Standorte angewiesen, wie dies z.B. vom ISET für die Leistungsprognose im Eon-Gebiet durchgeführt wird.

Für WEsER ist auf ein ähnliches Verfahren zurückgegriffen worden, dessen Ergebnis mit dem Vorhersagesystem PREVIENTO der Universität Oldenburg verifiziert wurde. Die für die Szenarien in WEsER gewählten Annahmen der installierten Leistungen (2000: 6112 MW; 2010: 22091 MW; 2020: 43858 MW) orientieren sich an tatsächlichen bzw. prognostizierten Entwicklung der Installationszahlen. Die ambitionierten Werte für 2020 (44 GW entsprechen fast 40% der heute installierten Kraftwerksleistung zur Stromerzeugung) können dabei nur durch Nutzung des Offshore-Potenzials erreicht werden. Nach einer Studie des Deutschen Windenergie Instituts (DEWI) in Wilhlmshaven werden etwa 50% der Leistung offshore installiert sein. Dies hat auf den Gesamtverlauf des Leistungsangebots aus WKA erheblichen Einfluss, weil das Verhalten der Offshore-Anlagen durch bessere Windverhältnisse (höhere, gleichmäßigere Windgeschwindigkeiten) geprägt ist, was bei der Erstellung der Zeitreihe für die Windeinspeisung entsprechend berücksichtigt wurde.

Demand Side Management (DSM)

Grundsätzlich ist von einem Potenzial an vermeidbarer oder verlagerbarer Last auszugehen. Im Unterschied zur Verlagerung von Nachfrage, bei der die elektrische Arbeit unverändert nachgefragt, aber der Zeitpunkt variiert wird, ist die Vermeidung von Nachfrage hier gleichbedeutend mit einer entsprechenden Verringerung der nachgefragten elektrischen Energie. Dieser ist durch die Annahme einer konstant bleibenden jährlichen Stromnachfrage bis 2020 bereits implizit enthalten (s.o.).

Die verlagerbare Last wurde zurückhaltend mit 3000 MW angenommen. Dabei ist diese Leistung innerhalb von 24 Stunden beliebig so verschiebbar, dass „Lastspitzen geglättet“ oder „Lasttäler aufgefüllt“ werden. In der Summe über den Tag darf allerdings weder ein Überschuss noch ein Mangel an elektrische Energie entstehen. Diese Einschränkung wird in der Realität zwar so scharf nicht gelten, ist aber in dieser Form gut im Modell umsetzbar. Eine Möglichkeit zur realen Umsetzung dieser Verlagerung von Nachfrage sind zum Beispiel "intelligente Kühlschränke", deren zeitlicher Verlauf des Strombedarfs beeinflusst wird.

Allgemeine Kenngrößen

Unter allgemeinen Kenngrößen werden die für alle Optimierungsläufe gültigen Parameter verstanden. Darunter fällt der verwendete Realzins in Höhe von 4% zur Veranlagung des aufzunehmenden Kapitals für die Investitionskosten.

Auch das Auslaufen der Kernenergienutzung wird in Anlehnung an den sog. Atomkonsens der Bundesregierung mit den Betreibern berücksichtigt: Die einsetzbare Leistung von AKW richtet sich prinzipiell nach der durch die Vereinbarung berechneten Abschaltzeiten der Anlagen.

Ebenso werden die CO2-Emissionszielmengen vorgegeben. Für 2020 sieht das (durch die Enquete-Komission 1995 empfohlene) Reduktionsziel vor, alle CO2-Emissionen um 40% im Vergleich zum Stand 1990 zu reduzieren; für 2010 wird das (mittlerweile vom Bundestag ratifizierte) sog. Kyoto-Ziel von minus 21% angestrebt. In der WEsER-Untersuchung wird davon ausgegangen, dass alle Sektoren in gleicher Weise zum Reduktionsziel beitragen, also auch im Stromsektor 21 bzw. 40 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden.

Die Berechnung der zugehörigen absoluten Werte erfolgt auf Grundlage der Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie der Bezug auf die Nettostromerzeugung. Damit ergeben sich die in der Tabelle dargestellten Zielgrößen.

WEsER - zu erreichende CO2-Emissionsminderungsziele

Auch die Preise der Primärenergieträger sind vorgegeben. Dabei werden im Wesentlichen zwei Pfade unterschieden: eine wahrscheinliche, eher niedrige Preisentwicklung und ein Hochpreispfad, als „Worst Case“ zum Vergleich (siehe Tabelle). Die sich ändernde Größe ist dabei der Gaspreis, der für die Betrachtungen eine herausragende Rolle spielt.

WEsER - verwendete Preise für die Primärenergieträger