WEsER-Modell: Szenarien


Allgemeine Voraussetzungen

Die Szenarienauswahl ist bestimmt durch die zugrunde liegende Fragestellung, wie ein konventionelles Stromerzeugungssystem aussehen müsste, um für die politisch gewollte Entwicklung einer zunehmenden Windenergienutzung die (gesamtwirtschaftlich) kostengünstigste Elektrizitätsbereitstellung zu ermöglichen.

Wesentliche Voraussetzung ist die Annahme, dass der durch WKA erzeugte Strom komplett in das Verbundnetz übernommen wird, so wie es von der derzeit gültigen Fassung des EEG vorgesehen ist. Die konventionelle Stromerzeugung muss sich demnach an die resultierende Nachfrage (Bedarf abzüglich der Stromeinspeisung aus Windenergie) anpassen. Das EEG wird in diesem Rahmen ausdrücklich nicht als Instrument zur CO2-Emissionsvermeidung (fehl-)interpretiert, sondern als Programm zur Markteinführung der neuen Technologien regenerativer Stromerzeugung verstanden. Dass bei der Stromerzeugung durch REG kein Kohlendioxid emittiert wird, ist ein wünschenswerter Effekt, allerdings gibt es zum Ziele der Emissionsvermeidung z.T. effizientere, sicher jedoch kostengünstigere, weil marktgesteuerte Lösungen.

Die verschiedentlich geführte Diskussion, Windkraftanlagen so regelbar auszuführen, dass Netzbetreiber WKA abschalten können um damit die Erzeugung zu regeln, d.h. an die Nachfrage oder die konventionelle Stromerzeugung anzupassen wird in den vorgestellten Szenarien nicht untersucht. Eine solche, dem EEG nicht mehr entsprechende, Regelung des eingespeisten Windstroms würde - falls das Erzeugungssystem nicht strukturelle Änderungen erfährt - schnell zu einer Obergrenze von (ökonomisch sinnvoller) installierter Leistung an WKA führen, weil sich durch Abschaltungen die spezifischen Stromgestehungskosten aus WKA verschlechtern.

In den „Standard“-Szenarios wird darüber hinaus davon ausgegangen, dass die Nutzung der Atomenergie in Anlehnung an den 2001 beschlossenen sog. Atomkonsens ausläuft. Anhand der vereinbarten durchschnittlichen Laufzeiten von in der Regel 32 Jahren, lassen sich die Abschaltzeitpunkte bestimmen, bzw. lässt sich aussagen, wie viel AKW-Leistung in den Betrachtungsjahren noch zur Verfügung steht. In 2010 wären demnach noch gut 16 GW vorhanden, in 2020 beläuft sich der Wert auf knapp 4 GW.

Die Informationen über den in WEsER verwendeten Kraftwerkspark, die Brennstoffpreise sowie die zu erreichenden Klimaschutzziele werden in den WEsER-Bestandteilen gegeben.

Entwicklung des Kraftwerksparks in Deutschland

erwartetes Auslaufen vorhandener Kraftwerkskapazität

Der konventionelle Kraftwerkspark ändert sich aufgrund des mit den Lebensdauern der Kraftwerke verbundenen Ausscheidens von Erzeugungskapazitäten. Während derzeit mit einer installierten Leistung von über 118 GW deutliche Überkapazitäten vorhanden sind (was im Übrigen auch zu Preisverzerrungen innerhalb des liberalisierten Marktes führen kann), ist in den kommenden Jahren damit zu rechnen, dass ein zum Teil erheblicher Ersatzbedarf entsteht. Setzt man für bestehende Kraftwerke durchschnittliche Nutzungsdauern an (und berücksichtigt die durch die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Stromwirtschaft getroffenen Restlaufzeiten der Atomkraftwerke), so zeigt sich, dass bereits 2010 nur noch etwa 77 GW aktive konventionelle Kraftwerksleistung vorhanden sein wird. Geht man von einem Bedarf von etwa 90 GW zur Deckung einer Höchstlast von 80 GW aus, der aufgrund des geringen Kapazitätseffektes der Windenergienutzung (10..20% der installierten Leistung) nicht gedeckt werden kann, so ergibt sich ein Kapazitätszubaubedarf von bis zu 13 GW. Für 2020 erreicht der Zubaubedarf bereits eine Größenordnung von über 50 GW.

Zusätzliche Bedeutung erlangt diese Entwicklung, wenn man bedenkt, dass die Planungs- und Entwicklungszeiten für Kraftwerksneubauten oftmals mehrere Jahre bis zu Jahrzehnten in Anspruch nehmen. Die Entscheidungen für den Kraftwerkspark 2020 werden also heute gefällt, was die Bedeutung einer dieser Betrachtung über die kostenoptimale Struktur in 2020 unterstreicht.

Entwicklung der Windenergienutzung

WEsER - Modellkraftwerksparameter

Durch das seit April 2000 gültige Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist für Investoren ein hohes Maß an Planungssicherheit geschaffen worden. Kernpunkte des Gesetzes sind die Abnahmegarantie des durch Windkraftanlagen und andere regenerative Erzeuger produzierten Stromes sowie die Festsetzung einer Mindestvergütung, die für jede in das Stromnetz eingespeiste Kilowattstunde vom Netzbetreiber zu zahlen ist. Die Mehrkosten, die dem Netzbetreiber dabei anfallen, werden durch ein Umlageverfahren letztlich auf alle Verbraucher umgelegt. Durch diese beiden Aspekte lassen sich für Investoren oder Windkraftanlagenbetreiber die zu erwartenden Erträge des Standortes unter Zuhilfenahme von Einzelmessungen und jahresmittleren Windgeschwindigkeiten vergleichsweise gut bestimmen. Dies hat insgesamt zu einer hohen Bereitschaft geführt, Kapital für die Erstellung neuer WKA oder Windkraftanlagenparks zur Verfügung zu stellen. Solange diese Rahmenbedingungen weiter bestehen, ist davon auszugehen, dass auch weiterhin neue Standorte für Windkraftanlagen erschlossen werden.

Die weiterhin zu erwartende Steigerung der installierten Leistung von Windkraftanlagen basiert auf drei Entwicklungen, wobei der Neubau von Anlagen an neuen Standorten eine immer geringere Rolle einnehmen wird:

  • Neubau von Windkraftanlagen im Zusammenhang mit der Erschließung neuer Standorte
  • Offshore-Windenergienutzung
  • Ersatz älterer Anlagen durch neue Anlagen am gleichen Standort (Repowering)

Der Neubau von Windkraftanlagen und die Erschließung neuer Standorte:

Die in den letzten Jahren zu beobachtende enorme Steigerung der Installationszahlen von Windkraftanlagen ist einhergegangen mit einer ebenso eindrucksvollen Steigerung der spezifischen Anlagengröße. Während zu Beginn der 90er Jahre die durchschnittliche Leistung einer neu errichteten Windkraftanlage bei wenigen 100 kW lag, betrug sie im Jahr 2002 über 1,4 MW. Diese Entwicklung wird sich auf Grund der angekündigten und z.B. durch ENERCON realisierten) Anlagen der zwei bis fünf MW-Klasse auch weiterhin fortsetzen. Damit ist trotz der geringer werdenden Anzahl geeigneter Standorte mit einem weiteren Wachstum der in Deutschland installierten Leistung an Windkraftanlagen zu rechnen.

Die Nutzung der Offshore-Potenziale in der deutschen Nord- und Ostsee:

Eine erste Baugenehmigung für eine Pilotphase eines Offshore-Windkraftanlagenparks ist im November 2001 durch das zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) in Hamburg ergangen. Durch die auf offener See herrschenden besseren Windbedingungen versprechen sich die Projektierer und zukünftigen Betreiber eine erhöhte Stromproduktion (zum Vergleich: während an guten Küstenstandorten Volllaststundenwerte von 2000 bis 2200 erreicht werden können, wird Offshore von erheblich größeren Werten ausgegangen: z.B. bei dem dänischen Offshore-Projekt HornsRev, wo 3750 Volllaststunden erwartet werden). Derzeit liegen Anträge zum Bau von Offshore-Windkraftanlagenparks in einer Größenordnung von 60 GW vor.

Repowering:

Auf Grund der heute verfügbaren Windkraftanlagentechnik und -größe bietet es sich an, vorhandene Standorte mit vergleichsweise kleinen Anlagen der Kilowattklasse zu ersetzen durch große Anlagen der Megawattklasse, die einen entsprechend höheren Ertrag an Stromproduktion bieten. Obwohl bei Windkraftanlagen grundsätzlich von einer Lebensdauer von etwa 20 Jahren ausgegangen wird, kann es auf Grund des enormen Unterschiedes der Nennleistung der alten zur neuen Anlage bereits ökonomisch sinnvoll sein, eine alte Anlage nach 12 bis 15 Jahren (z.T. sogar noch früher) durch eine neue zu ersetzen. Erste Maßnahmen dieser Art werden bereits durchgeführt.

Szenario 2000

WEsER - Szenario 2000 - Beispieltage

Verlauf der resultierenden Nachfrage (blau) sowie der Einspeisung von Strom aus WKA (grau) im Jahr 2000, aufgetragen über die Stunde des Jahres (HoY). Die obere, gestrichelte Begrenzungslinie gibt den unbeeinflussten Lastgang wieder. Der Einfluss der Stromeinspeisung durch Windkraftanlagen ist aufgrund der in 2000 installierten Leistung von 6112 MW noch gering. Der beispielhaft ausgewählte Nachfrageverlauf von fünf Tagen am Anfang des Jahres bleibt durch den Wind praktisch unbeeinflusst.

Szenario 2010

WEsER - Szenario 2010 - Beispieltage

Die Auswirkungen der Windeinspeisung auf den Lastgang sind aufgrund der größeren installierten Leistung auffälliger. In dem dargestellten Verlauf von Windstromeinspeisung und resultierender Nachfrage ist zu sehen, dass z.T. deutliche Absenkungen des Lastgangs durch die Einspeisung der WKA stattfinden können. Auch der regelmäßige Charakter der Nachfrage mit Spitzen zur Mittags- und Abendzeit ist verändert.

Szenario 2020

WEsER - Szenario 2020 - Beispieltage

Durch die deutlich gesteigerte installierte WKA-Leistung sowie den durch die Offshore-Nutzung erhöhten Wert der Vollbenutzungsstunden (auf knapp 3000) ist der Beitrag der Windenergie zur Stromerzeugung erheblich. Dies zeigt sich auch bei der (exemplarischen) Betrachtung des (resultierenden) Lastverlaufs: Während in 2010 noch eine gewisse Regelmäßigkeit der Nachfrage zumindest im Wochenverlauf erwartet werden kann, bringt in 2020 die hohe Einspeisung diese „Ordnung“ durcheinander. Nicht nur das stochastische Auftreten von resultierenden Nachfragespitzen, sondern auch hohen Nachfrageänderungen innerhalb von wenigen Stunden müssen durch die konventionelle Erzeugung gedeckt werden. Durch diesen veränderten resultierenden Nachfrageverlauf kann es z.B. sein, dass die Tagesspitzenlast während der Nacht und die höchste Wochenlast auch an einem Samstag oder Sonntag auftreten.